Fredersdorf-Studie bezogen auf JES
2002 veröffentlichte Frederic Fredersdorf eine vom Bundesministerium für Gesundheit geförderte Studie zur ambulanten Drogenselbsthilfe in Deutschland. Er zeigte auf, welche positiven Effekte ein Engagement in der JES-Selbsthilfe erzielen kann.
Hierzu die Ergebnisse im Überblick:
Übersicht
- Die Mitglieder
- Gruppenkennzahlen
- Gruppenaktivitäten
- Soziale Integration
- Einnahme von Substanzen
- Gruppendynamische Effekte
- Zusammenarbeit mit Externen
- Quelle
Es wurden neben JES noch NA, verschiedene Gruppen der Caritas und Einzelorganisationen befragt. Insgesamt belief sich ihre Zahl auf 266 Selbsthilfegruppen.
JES zeigte mit einer Beteiligung von über 60% die mit Abstand grösste Reaktion. NA (die Abstinenzler) lag z.B. bei nur knapp 14%. Aber die sind ja auch, der Name sagt es, anonym.
Die eher offensive Ausrichtung von JES manifestiert sich auch in einigen der nachfolgenden Zahlen.
1. Die Mitglieder
These: Gruppen-ADSH richtet sich auf unterschiedliche Personenkreise aus
JES | NA, Caritas und Einzelgruppen | |
Frauenanteil | 40% | 34% |
Altersschnitt | 32,2 Jahre | 34,4 Jahre |
Ausländeranteil | 7,3% | 3,1% |
Anteil Lediger | 56% | 67% |
Niedriger Schulabschluss | 53,5% | 29,6% |
Eigene Wohnung | 67,7% | 80,2% |
Abgeschlossene Ausbildung | 55% | 77% |
Der RT dazu:
Auffällig ist die relativ grosse Zahl von JES-Mitgliedern mit niedrigem Schulabschluss. Dies ist vermutlich primär durch die Szenenähe und Niederschwelligkeit zu erklären. Zu Caritas-Gruppen gehen vermutlich potenziell eher andere Gesellschaftsschichten. Es wurde auch gemutmasst, dass der reale Ausländeranteil bei JES real niedriger liegt als bei den genannten 7,3%. Das leidige Thema „latenter Rassismus in der Drogenszene“ scheint also nach wie vor aktuell zu sein.
2. Gruppenkennzahlen
These: Gruppen-ADSH ist unterschiedlich konstituiert
JES | NA, Caritas, Einzelgruppen | |
Existenzdauer der Gruppe über 8 Jahre | 41,4% | 26,9% |
ca. Teilnehmerzahl | 11,2 Personen | 9,6 Personen |
ca. Zuwachs im letzten Halbjahr | 6,5 Personen | 8,5 Personen |
1-3 Gruppentreffen pro Woche | 57,6% | 80,2% |
ca. Fluktuationsrate | 0,75 – 1,1 | 1,4 – 1,9 |
RT:
Recht grosse Gruppen scheinen da befragt worden zu sein. Auch die vergleichsweise geringe Fluktuationsrate fällt auf.
Bei den Vergleichsgruppen scheint diese denn auch höher zu sein.
3. Gruppenaktivitäten
These: Gruppen-ADSH engagieren sich in vielfältiger und unterschiedlicher Form
JES | NA, Caritas, Einzelgruppen | |
Anteil an Beratungsleistung | 68,3% | 30% |
Anteil an Vermittlungen | 70,0% | 13,8% |
Anteil an Öffentlichkeitsarbeit | 68,3% | 30,1% |
Regelmässige Gruppengespräche | 68,7% | 72,2% |
Freizeittreffs | 72,1% | 54,1% |
Substitutionsbegleitung | 59,6% | 1,5% |
Streetwork | 62,7% | 3,0% |
RT:
In diesen Punkten, also der eher offensiven Arbeit, scheint JES im Vergleich zu den anderen Gruppen deutlich die Nase vorn zu haben. Die verstärkt politische Ausrichtung der JES-Gruppen steht in sichtbarem Kontrast zur eher verdeckten und primär auf die persönlichen Probleme bezogenen Arbeit anderer Selbsthilfegruppen im Drogenbereich.
4. Soziale Integration
These: ADSH fördert die soziale Integration ihrer Mitglieder
Soziale Lage während ADSH-Teilnahme verbessert/verschlechtert | JES | NA, Caritas, Einzelgruppen |
Berufssituation | 29% / 12% | 23% / 13% |
Partnerschaftliche Situation | 24% / 28% | 36% / 14% |
Freundessituation | 56% / 9% | 39% / 4% |
Wohnsituation | 35% / 4% | 29% / 6% |
RT:
Berufs-, Freundes- und Wohnsituation haben sich in allen Gruppierungen scheinbar signifikant verbessert, wohingegen die partnerschaftliche Situation sich bei den JES-Mitgliedern geringfügig verschlechterte.
5. Einnahme von Substanzen
These: ADSH reduziert die Substanzeinnahme ihrer Mitglieder
Substanzeinnahme während SHG-Gruppen Teilnahme verringert / erhöht | JES | NA, Caritas Einzelgruppen |
Alkohol | 48% / 10% | 59% / 3% |
Cannabisprodukte | 33% / 14% | 49% / 2% |
Halluzinogene | 26% / 2% | 22% / — |
Psychopharmaka | 36% / 8% | 31% / 1% |
Amphetamine | 52% / 5% | 29% / — |
Substanzeinnahme während SHG-Gruppen Teilnahme verringert / erhöht | JES | NA, Caritas Einzelgruppen |
Heroin | 60% / 9% | 34% / – |
Andere Opiate | 11% / 11% | 6% / 9% |
Kokain | 54% / 3% | 43% / 1% |
Methadon | 10% / 38% | 6% / 1% |
Scnüffelstoffe | 13% / 1% | 7% / – |
Tabak | 12% / 3% | 30% / 4% |
RT:
Zwar nicht ganz so stark wie bei den anderen Grupppierungen setzte sich bei JES jedoch immer noch spürbar ein Rückgang der Substanzeinnahme durch. Einzige Ausnahme bildete bei den JES-Gruppen – logischerweise – das Methadon. Nicht Wenige sind durch den Kontakt zu JES offenbar erst in die Substitutionsbehandlung gekommen.
6. Gruppendynamische Effekte
These: Gruppen-ADSH prägen vielfältige gruppendynamische Effekte aus
Hohe Ausprägung des gruppendynamischen Faktors | JES | NA, Caritas Einzelgruppen |
Selbstwahrnehmung und Emphatie | 41% | 62% |
Soziale Bekräftigung | 64% | 32% |
Psychosoziale und substanzspezifische Integration | 41% | 61% |
Soziale Dienstleistungen | 64% | 32% |
RT:
Auch hier kommt die offensivere Ausrichtung von JES zum Ausdruck.
Während in den Punkten „Selbstwahrnehmung und Emphatie“ JES mit 41% schlechter abschneidet als die Anderen mit 62%, ist es beim Punkt „Soziale Bekräftigung“ genau umgekehrt.
7. JES: Zusammenarbeit mit Externen
Externe | Kontakte in % |
Professionelle Suchthelfer | 79,8 |
Niedergelassener Arzt | 63,0 |
Sozialarbeiter | 42,2 |
Krankenhaus | 35,3 |
Niedergelassene Psychologen | 32,9 |
Drogenberatungsstelle | 29,5 |
Stationäre Suchthilfe | 27,2 |
Wohlfahrtsverbände | 26,3 |
Teilstationäre Suchthilfe | 15,5 |
Kirche | 13,9 |
RT:
Auffällig ist hier der doch sehr hohe Anteil der Suchthelfer als Kontaktperson. Das hat auch uns zunächst gewundert. Aber wenn man bedenkt, dass bei der ehrenamtlichen Arbeit – etwa beim Nachfüllen von Spritzen-Automaten – meist zwangsläufig auch die sog. „Profis“ kontaktiert werden, erscheint diese Zahl schon deutlich plausibler.
Die hohe Rate von Arztkontakten ist vermutlich auf die vielen Substituierten unter den JES-lerInnen zurückzuführen.
Studie als PDF (1,6 MB)
Quelle:
Frederic Fredersdorf
„Verantwortung leben“
Ambulante Drogenselbsthilfe in Deutschland
Neuland 2002
Siehe auch hier www.bmgs.bund.de/